seit 1989 in Frankfurt Bockenheim

Der Kunstraum

Der Kunstraum Liebusch feierte 2019 sein 30jähriges Bestehen. Er war zuerst ein leerer Raum und füllte sich nach und nach mit Menschen, Ideen und Kunst. Er entwickelte sich meist konträr zum Mainstream. Er treibt mit sich und seiner Umgebung ein Versteckspiel, verhüllt sich nach der Art des Verpackungskünstlers Christo. Der zunächst sichtbare Wohn- und Arbeitsraum wird nach seiner Entzauberung zum Ausstellungsraum - zum Kunstraum. Ein oder zwei Mal im Jahr werden Kunstwerke aufwendig präsentiert.

Einem RTL-Fernsehteam gelang es 1994 in das Konzept der "kleinsten Galerie Hessens" (RTL) einzudringen. In einer Überraschungsaktion filmten und interviewten sie im Kunstraum Liebusch. Bernhard Bauser, Schriftsteller, tätig in den Fernsehmedien, stellte zum zehnjährigen Jubiläum ein halbstündiges Portrait des Kunstraums und der Künstler zusammen. Einige Zeitungsartikel (u.a. "In der Küche hängen die Körperlandschaften", Ausstellung Sigrid Palmer, FR 1999) erschienen. 

Der Kunstraum beschäftigt sich permanent mit dem Verhältnis zwischen privater Sphäre und Öffentlichkeit. In einer Zimmergalerie teile ich als Veranstalter meine privaten Möbel, Gegenstände, Habseligkeiten mit vielleicht mir unbekannten Menschen für eine Zeit. Sie dringen in den privaten Raum ein, den sie auch so empfinden. Die Besucher lieben die persönliche Atmosphäre, in der Kunst dargeboten wird. Sie genießen die Schwelle zwischen privater und öffentlicher Atmosphäre. Die Künstler sind direkt ansprechbar, die Besucher "wohnen" für einige Stunden mit ihnen in einem Zimmer. Es entwickeln sich Nachbarschaften im Raum, Querverbindungen. Ideen werden geschmiedet. Es entsteht eine einmalige Zelle an Gedanken fernab der Kunst- und Kulturvorstellungen bei Diskussionen oder einfach nur beim Glas Wein. Und zwar nur hier und jetzt an diesem Ort. Danach wird alles nur Geschichte sein.

(Auszug aus dem Buch "30 Jahre Kunstraum Liebusch"), nur auf persönliche Anfrage erhältlich!


1 Auf Wand und Flur, Men Rabe 2019, 30 Jahre Kunstraum Liebusch

2 Lust am Untergang, Men Rabe 2019, 30 Jahre Kunstraum Liebusch
3 Garten der Lüste, Men Rabe 2019, 30 Jahre Kunstraum Liebusch. Men Rabe versinnbildlicht hier die drei Metamorphosen des Kunstraum Liebusch.

Rede von Michael Liebusch

Die vielen Ausstellungen, Lesungen, Performances, Darbietungen dieser Jahre kann ich hier nicht aufzählen. Auch die Anekdoten, Geschehnisse und Wandlungen des Kunstraums. Und Buchveröffentlichungen, die durch gemeinsame Initiativen zustande gekommen sind. Deshalb gibt es das Buch "30 Jahre Kunstraum Liebusch", das die wichtigsten Stationen, Reden, Vorträge und bildliche Erinnerungen versammelt. Das Buch ist zugleich ein Manifest des Kunstraum Liebusch, im Nachhinein geschrieben und aus allem Gewesenen eine Art Konzentrat.

Im Buch befinden sich auch die drei Bilder, die Men Rabe hier an der Wand ausstellt. Jedes Bild umfasst ein Jahrzehnt des Kunstraums in seinen Entwicklungsphasen. Ja, auch historische, faktische Personen sind dargestellt, aber auch welche, die sinnbildlich wirken. Wir finden dort Bilder aus Ausstellungen wieder, Objekte, Besucher, Entwicklungen bis in die Zukunft hinein. Ich kann gar nicht genug davon erzählen und Men für seine monatelange meisterliche Arbeit danken. Aber auch hier möchte ich auf das Buch verweisen, in dem es auch einen erhellenden Text zu den Bildern gibt. 

Kunst heißt Transformieren und Transzendieren, habe ich hier vorangestellt. Der Kunstraum zeigt seit 30 Jahren Kunst. Bilder, Lesungen, Theater, Musik gab es hier.

Bei dieser Ausstellung zum Jubiläum hängen Arbeiten von Anna Abel, Riccardo Baccherini, Sigrid Palmer, Jens Lay, Wolfgang Klee, Michael Liebusch, Edith Kaiser, Thomas Erdelmeier, Men Rabe, Monika Duhme, Mariette de Vries, Tania Clara Ribeiro, Sabine Steffen, Barbara Schuy, Jens Lay, Roland Greifelt und Brigitte Bee.

Im Laufe des Abends werden eine Reihe kleiner Lesungen stattfinden, über die ich mich als Autor sehr freue. Im Anschluss wird Irmgard Maria Ostermann lesen. Während dieser Zeit bereitet Nicolai Schuy in der bis dahin für seine Tätigkeiten geschlossenen Küche die Kunstaktion "Bankett-Bankrott" aus der Zeit der Bankenkrise 2010 vor. Er zauberte Gourmet-Menüs mit minimalem Nahrungsmittelaufwand im Wert von 1 Euro auf ein Knäckebrot. Mal sehen, was für ein Konzept er für uns bereithält.

Nach jeweils einer Stunde Pause lesen Johannes Farr, Peter Lack, Wolfgang Klee, Cornelia Kube-Druener und Uwe Fritzsche zehn- bis fünfzehnminütig langeTexte.

Wie hat es der Kunstraum es so lange geschafft, eins zu sein und zu bleiben? Durch Hartnäckigkeit, antworte ich.

1989 begann es mit Transformieren/Transzendieren, Kunst machen und Kunst vermitteln. Aus einer leeren Wohnung wurde nach Christos Verwandlungsart ein Raum für Menschen, für Künstler und Besucher, für Ideen und Gedanken. Hier wird in wochenlanger Arbeit Privates verhüllt und zu Öffentlichkeit, und Kunst wird hinter einem Vorhang hervorgezaubert. Der Mensch und die Dinge sind verwandlungsfähig.

1989 war historisch eine bewegte Zeit, die Mauer fiel. Zwischen den Mauern des Kunstraum Liebusch begann etwas Neues. Heute, 30 Jahre später, treffen wir uns als Protagonisten der Jahre wieder und wollen diese Zeit feiern.

Laudatio von Brigitte Bee für Michael Liebusch

Seit 30 Jahren hat Michael Liebusch unermüdlich, Tag und Nacht, diesen Vollzeitjob gewählt, im Einsatz für einen Traum, einen Kunst-Traum eine Utopie. Eine Art Kunstkommune hatte er sich ausgedacht und in Gang gebracht, ausgehend von einem Raum, der sich im Lauf der Zeitständig weitet, vom Gründungsort in Bockenheim, hier in der Homburger Straße, bis in den virtuellen Raum, ins World Wide Web. Mit mehr und mehr Kreativ-Zweigstellen in den Heddernheimer Gärten, im Schiffershof Bad Orb, im tschechischen Bruntal, bei Meister Baccherini in Italien und nun auch in Indien. Bilder werden ausgestellt, Worte werden zu Büchern, sind per Literatur-Telefon und Stimmenarchiv zu hören und die Bilder, Lesungen und Filme werden verbreitet auf der Kunstraum-Homepage im Internet. Michael hat sie zusammengebracht, die Künstlerinnen und Künstler, Dichter und Dichterinnen, Filmemacher, Musiker, Sprechartisten, Schauspieler, die Dank der Stetigkeit seiner Ideen, Anregungen und Aktivitäten zusammenkommen, miteinander reden, kreative Gedanken entwickeln und austauschen, einander inspirieren, und ihr Bestes geben. Bei den Ausstellungen, den Lesungen, den Vor-und Nachbereitungen (in einschlägigen Cafés) wird viel gelacht, auch mal getrauert, gestaunt, philosophiert, räsoniert, gefressen, geneidet, gesoffen, geschwatzt, gesponnen, gemäkelt, diskutiert, kritisiert oder schmunzelnd beäugt... Wer da alles beteiligt ist oder war, das kann man nachlesen in den Katalogen, Büchern und der aktuellen Festschrift „30 Jahre Kunstraum Liebusch“. Alle sind Druckwerke von Michael, mithilfe von Verbündeten, zustande gebracht. Wir Club-Mitglieder gehen mit Michael durch Dick und Dünn, denn wir haben eine Heimat, in der der Geist frei ist und wachsen kann und wo es eine besondere Art von dauerhafter Künstlerfreundschaft gibt. Wir danken Michael, dass er uns immer neu mitreißen kann, einen Funken erzeugen kann, der Mut macht, sich trotz allerinneren und äußeren Widerstände der Kunst hinzugeben. Und dafür, dass er die Ausstellungen und Lesungen organisiert und das Geschehen in Katalogen dokumentiert. Wir sind froh, dass Michael dranbleibt, dass er uns (oft unmerklich) antreibt, dass durch ihn neue Ideen, neue Werke entstehen und öffentlich werden, und dass er uns daran erinnert, was eigentlich wichtig ist in unserem Leben. Wir danken ihm, dass er uns, wie ein Hütehund zusammenhält und dass er die Kreativen, wie die mitwirkend Unterstützenden und das Publikum zu einer großen Familie zusammenbringt. Wir sind glücklich, dankbar und stolz dazu zugehören zum Kunstraum-Liebusch und an dessen Geschichte mitschreiben zu dürfen! Brigitte Bee, zum 7.12.2019